Chemikant VR

Wie klappt’s in der virtuellen Realität?

Ein Gespräch über die VR-Versuche der Chemikanten-Azubis bei Currenta

Gemeinsam mit dem Softwareentwickler Weltenmacher und dem Aus- und Fortbildungsdienstleister für Chemieunternehmen Currenta hat Cornelsen eCademy ein Blended-Learning-Angebot für Chemikanten entwickelt, welches Präsenzlernen, E-Learning und VR-Phasen miteinander verbindet. Für die Ausbildung zum Chemikanten unterstützt das Angebot das Lernen praxisnaher Arbeitssituationen, zum Beispiel von Anlagenprozessen. Das letzte User Testing hat zuletzt bei Currenta in Krefeld stattgefunden, bei dem unsere Kollegen aus dem Content Team Annika und Mirco sowie Weltenmacher mit dabei waren. Annika hat uns im Interview erzählt, wie die Azubis bei Currenta und ihre Ausbilderin das neue Lernszenario in der virtuellen Realität empfunden haben.

Ihr wart bei Currenta, um mit den Azubis neue VR-Versuche zu testen. Wie kam es überhaupt dazu, Versuche in der virtuellen Realität darzustellen?

Wir haben eine Kooperation mit Currenta und Weltenmacher. Gemeinsam begleiten wir die Ausbildung zum Chemikanten ganz am Anfang mit einem Blended-Learning-Konzept. Das heißt, es gibt versuchsvorbereitende, theoretische Inhalte im E-Learning und passend dazu Versuche in der VR-Anwendung. Da es bei der Chemikanten-Ausbildung darum geht, Prozesse zu verstehen, Schritte auszuführen, Reihenfolgen zu verinnerlichen und Routinen zu entwickeln, bereitet das Lernszenario die Azubis auf die Arbeit an der echten Anlage vor. Das soll mehr eigenständiges Lernen fördern.

Azubis finden sich in der virtuellen Realität zurecht.

Wie lief das User Testing zu den neuentwickelten Lerninhalten ab?

Wir waren insgesamt drei Tage bei Currenta in Krefeld im Bildungscampus Chempark Krefeld-Uerdingen und haben mit einer Gruppe von acht Azubis aus dem ersten Lehrjahr zusammengearbeitet. Am ersten Tag haben wir vormittags den E-Learning-Block kundig begleitet und gemeinsam mit der Ausbilderin Fragen beantwortet. Nachmittags durften die Azubis den Versuch in der virtuellen Realität üben. Hier mussten sie Wasser in einen Rührbehälter füllen, dann das Wasser beheizen und anschließend diesen Behälter entleeren. Am nächsten Tag wurde der gleiche Versuch an der echten Anlage durchgeführt. Dort haben wir geprüft, ob die Azubis das Prinzip des Versuchs verstanden haben und wie sie sich an der Anlage zurechtfanden. Denn im Fokus stand hier das Übertragen des Gelernten auf die echte Anlage. Wir haben geschaut, ob und inwieweit die Azubis die Transferleistung aus der VR schaffen. Am dritten und letzten Tag haben wir einen vorangeschrittenen VR-Versuch durchgeführt, bei dem neben dem Befüllen, Beheizen und Entleeren des Rührbehälters (so wie im ersten Versuch), die Flüssigkeit im Rührbehälter zusätzlich destilliert werden musste.

Was unterscheidet die Versuche in der VR-Anwendung von denen an der echten Anlage?

Das sind verschiedene Punkte. Erstens sind die VR-Versuche risikoärmer, da Fehler in der virtuellen Realität keine realen Folgen haben wie an der Anlage. Außerdem lassen sich Schritte beliebig oft wiederholen, damit Azubis in ihrem eigenen Tempo die Abläufe verinnerlichen können.

Zweitens sind Azubis mit der VR-Anwendung nicht auf die Anwesenheit von Ausbildern angewiesen und können standortunabhängig üben, zum Beispiel zu Hause oder im Klassenraum.

Drittens ist aus Ausbildersicht die Kostenreduktion ein wichtiger Punkt: Der Betrieb der Anlagen ist zeit- und kostenintensiv, es müssen verschiedene Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden, wenn die Azubis an der Anlage sind. Außerdem können nicht mehrere Personen gleichzeitig eine Anlage bedienen und wenn nacheinander jeder Azubi einzeln an der Anlage arbeitet, ist das ein großer Zeitfaktor. Daher ist es für das Unternehmen sinnvoller, die Azubis in der virtuellen Realität auf die Anlage vorzubereiten, bevor sie damit arbeiten.

Viertens: Entlastung der Ausbilder durch unser Angebot. Während sich die Azubis in E-Learning oder VR-Phasen befinden, können sie beispielsweise Präsenzlernphasen vorbereiten oder organisatorische Aufgaben erledigen.

Ein Blick auf die virtuelle Anlage.

Wie lange dauert eine VR-Übung?

Der erste Versuch ist 45 Minuten lang. Vorangestellt ist ein kleines VR-Tutorial, das noch nichts mit dem Versuch zu tun hat. Dort lernen die Azubis erstmal, wie man sich mit der Brille zurechtfindet, wie man mit den beiden Controllern greift, wie man Objekte dreht, wie man sich zu verschiedenen Punkten an der Anlage teleportieren kann. Diese Einführung dauert so fünf bis zehn Minuten. Anschließend gibt es ein Anlagen-Quiz, wo die Azubis auf die verschiedenen Elemente der Anlage zeigen müssen. Danach startet erst der richtige Versuch. Und der zweite Versuch war weit über eine Stunde lang, da müssen wir noch nachjustieren.

Wie war das Fazit nach dem User Testing?

Der erste Versuch hat gut funktioniert, da war das Feedback positiv. Man hat gemerkt, dass die Ausbilderin und die Azubis Mehrwert in dem neuen Lernszenario sehen. Das Schwierigste an dem ersten Versuch in VR war die Temperaturregelung, um das Wasser zu beheizen. Wenn man das vorher noch nicht gemacht hat, fällt es natürlich etwas schwerer und man muss dafür erstmal ein Gefühl bekommen. Nach unserem Training haben sich die Azubis gut an der echten Anlage zurechtgefunden. Sie haben schnell erkannt, wo was ist und wie es funktioniert.

Bei dem zweiten Versuch, wo mit der Destillation viele neue Inhalte dazugekommen sind, war das Feedback gemischt. Dort haben wir festgestellt, dass in der VR zu viel Neues vorgestellt und abgefragt wurde. Die Azubis haben sich im zweiten Versuch etwas verloren, weil sie nicht wussten, was sie überhaupt tun sollten. Außerdem war er mit über einer Stunde Länge viel zu lang. Vor allem in der VR-Umgebung ist das dann zu anstrengend für die Augen. Manche Azubis sahen danach ein bisschen fertig aus.

Nach dem VR-Versuch probieren die Azubis die echte Anlage aus.

Welche Learnings habt ihr aus dem User Testing mitgenommen?

Unsere wichtigste Erkenntnis aus dem User Testing haben wir aus dem zweiten Versuch gezogen. Hier haben die Azubis eher Verschiedenes ausprobiert, statt zielgerichtet zu handeln. Das Problem: Versuch zwei baut auf Versuch eins auf, allerdings werden die Basis-Schritte aus dem ersten Versuch auch beim zweiten nochmal erklärt und müssen durchlaufen werden. Erst dann kommen die neuen Schritte hinzu. Daher wird das Neue erst relativ weit hinten in der VR gezeigt – genau dann, wenn die Azubis nicht mehr ganz so aufnahmefähig sind. Unser Learning: Wir müssen uns bei dem zweiten Versuch mehr auf die Vermittlung der neuen Schritte fokussieren, sodass da nichts untergeht, weil es zu viel Input gibt. Gerade in der VR ist dann zu viel. Aber dafür ist das User Testing auch da, damit wir wissen, wo wir uns verbessern können, um unser Lernangebot für die Azubis noch wirksamer zu machen. Für das nächste User Testing planen wir mehr Input in das vorgelagerte E-Learning zu verlagern, damit die Azubis frisch und besser vorbereitet in die VR starten können.

Danke Annika für das Interview!

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