Digitale Bildung

D+H im Interview: „Wir wollten von Beginn an die Auszubildenden abholen und sie im selbstgesteuerten Lernen unterstützen“

Tobias Kaps (Ausbildungsleiter bei D+H Mechatronic AG) hat ein Ziel für seine Auszubildenden: Sie sollen fit für die dynamische Arbeitswelt werden – besonders für die Zeit nach der Ausbildung. Welche Rolle spielt dabei das digitale Lernen? Und wie sieht das digitale Lernen bei D+H Mechatronic aus?

Herr Kaps, Sie haben sich für das digitale Lernen in Ihrem Unternehmen entschieden – was hat Sie dazu bewegt?

Ausbildung heißt Lernen – der Faktor gehört einfach dazu. Und Lernen findet im besten Fall ein Leben lang statt. Wichtig für mich wurde dabei immer mehr das „Wie?“.

Ich wollte bei uns die Ausbildung verbessern, beziehungsweise anreichern. Dieses Potential habe ich im E-Learning gesehen. Denn E-Learning bietet eine hohe Methodenvielfalt. Im Vergleich zum Lehrbuch beispielsweise sind die Informationen dieselben – die Aufbereitung und Umsetzung im E-Learning aber ist vielfältiger – und das hat enorme Vorteile.

Das Lernen wird dadurch unabhängiger, selbstständiger und aktiver. Die Informationen sind dabei gegebenenfalls auch aktueller – dadurch sind die Lernenden einfach auf einem aktuellen Stand.

 

Inwiefern hat sich denn allgemein die Ausbildung in Ihren Augen verändert?

Das sind beispielsweise die Anforderungen, die vor allem nach der Ausbildung auf die Auszubildenden zukommen. Mittlerweile ist alles viel schnelllebiger geworden – es gibt ständig etwas Neues, das man für seine Arbeit wissen sollte und wissen muss. Im besten Fall bilden wir unsere Auszubildenden für eine Technologie aus, die es noch gar nicht gibt. Dies gelingt uns, indem wir ihnen beibringen, Wissenslücken zu entdecken und sie diese selbstgesteuert zu schließen.

„Im Prinzip haben wir doch das komplette Wissen der Menschheit in der Hosentasche. Zu lernen, welche Informationen ich tatsächlich brauche, ist eine neue Herausforderung.“

Wie sieht das digitale Lernen in Ihrem Unternehmen aus?

Vorweg muss ich erst einmal sagen, dass nicht alle Auszubildenden digital lernen. Das hat vor allem damit zu tun, dass beispielsweise die Industriekaufleute bereits den ganzen Tag am Computer sitzen – die nehmen zum Lernen dann tatsächlich lieber ein Buch in die Hand und wollen nicht mehr auf den Monitor schauen.

Im Vergleich dazu sind aber die Auszubildenden im Beruf „Mechatroniker“ sehr motiviert, immer mal wieder am Computer zu arbeiten.

Generell haben wir einen Rahmenplan für all unsere Ausbildungsberufe. eCademy wird hier ergänzend eingebunden – von denjenigen, die das digitale Lernen nutzen möchten.

Das heißt, Ihre Auszubildenden können dann selber bestimmen, wie sie eCademy einbinden wollen?

Bei uns ist es so, dass wir mit den Auszubildenden eine sogenannte Lernvereinbarung – ein Agreement – treffen. Das ist eine Art Vereinbarung zwischen den Auszubildenden und dem Ausbildungspersonal. In der Vereinbarung stehen die Ziele, die der Auszubildende in einem bestimmten Zeitraum erreichen möchte. Also, welche Themen, wie, bis wann und gegebenenfalls mit welchem Ergebnis gelernt werden sollen. Jeder Auszubildende hat dafür auch einen eigenen „Ausbildungspass“. In dem die Inhalte von eCademy, den betrieblichen sowie schulischen Lerninhalten zugeordnet sind.

Bei der Frage „Wie?“ gelernt wird – können die Auszubildenden dann festlegen, in welchem Ausmaß sie mit eCademy lernen wollen.

Eine Regel gibt es dabei: Wer eCademy nutzt, sollte im ersten Lehrjahr mit den Grundlagen fertig sein.

Wie genau kann das dann aussehen?

Ganz individuell bestimmen die Auszubildenden, dass sie zum Beispiel eine Stunde in der Woche Zeit für das Lernen mit eCademy haben möchten. Genau diese eine Stunde dürfen sie sich dann auch nehmen. Da funke ich auch nicht dazwischen und verplane diesen Auszubildenden auch nicht für etwas Anderes – schon an der Stelle möchten wir das selbstgesteuerte Lernen unterstützen.

Wie stringent halten Ihre Auszubildenden die Lernvereinbarungen denn ein?

Von den meisten bekomme ich die Rückmeldung, dass sie tatsächlich diesen „Druck“, dieses verbindliche Zusagen, brauchen. Sie haben dadurch thematisch eine Orientierung und ein zeitliches Ziel.

Bei eCademy kann ich dann zum Bespiel sehen, wer was gemacht hat. Und auch: wie die Person gelernt hat, ob er oder sie es verstanden haben – oder wo die Lücken sind. Mir ist dabei besonders wichtig, dass die Lerninhalte nicht nur vermittelt wurden, sondern dass die Auszubildenden diese auch verstanden haben. Das funktioniert super anhand von eCademy mit der Abfolge erst lernen, danach anwenden und dann testen. Um zum Schluss natürlich das Ganze in der Praxis anwenden zu können.

Gab es Herausforderungen bei der Implementierung von eCademy?

Direkte Herausforderungen fallen mir jetzt nicht ein. Ganz wichtig war es mir, dass unsere Auszubildenden und Ausbilder von Anfang an involviert waren. Sie sollten testen, Rückmeldung geben und auch Ideen einbringen. Denn mir war klar, wenn ich die Auszubildenden nicht abhole, dann funktioniert das nicht.

Auf diese Weise sind dann eher weniger Herausforderungen entstanden, sondern eher Erkenntnisse und Ideen, wie wir gemeinsam damit arbeiten können.  –  oder besser gesagt, es wird akzeptiert und genutzt.

„Die Veränderung betrifft ja nicht nur die Auszubildenden – auch das Ausbildungspersonal musste lernen, sich neu oder anders zu positionieren und definieren.“

Wie würden Sie diese Rolle beschreiben? Haben Sie da Beispiele?

Man spricht ja, wenn es um die moderne Ausbildung geht, immer vom „Lernbegleiter“. Ich als Ausbilder gebe also nicht unmittelbar den Lernstoff oder mein Fachwissen weiter, sondern vielmehr begleite ich den Auszubildenden dabei, sich diesen Stoff selber anzueignen.

Wir geben reale Aufgaben und Projekte an die Auszubildenden. Das kann ein Szenario sein, um ein Problem zu lösen, eine Maschine zu erweitern oder ein Teststand zu entwickeln. Wie die Auszubildenden dann damit umgehen, ist ihnen überlassen. Die einen nutzen hierfür eCademy, schlagen etwas nach oder vertiefen sich in ein Thema.

Meine Aufgabe sehe ich ehr in der Hilfestellung, indem ich gezielt Fragen stelle und sie so auf Dinge aufmerksam mache. Sie aufzufordern sich und ihre Arbeitsschritte zu reflektieren und ihnen den Freiraum zu geben, um tatsächlich auch Fehler zu machen -das ist vielleicht sogar das Schwerste daran.

Wie fühlen Sie sich dabei? Was erhoffen Sie sich durch das selbstgesteuerte Lernen

Das ist ganz unterschiedlich. Prinzipiell sehe ich für die Auszubildenden in dem selbstgesteuerten Lernen eine große Chance, dass nicht nur das Fachwissen nachhaltig haften bleibt – sondern besonders, dass sie selber wissen, was in einer bestimmten Situation wichtig und was eher unwichtig ist; welche Informationen sie wo bekommen und dass sie aus erlebten Fehlern auch möglichst eigenständig ihre Lehren ziehen – indem sie ganzheitlich und praxisnah denken – und ich ihnen die Chance und die Mittel dazu gebe. Alles im allen sprechen wir hier von Kompetenzentwicklung.

„Manchmal muss ich mir aber auch ganz schön auf die Zunge beißen.“

Es gibt natürlich aber auch Situationen, in denen man gerne nicht nur begleiten möchte, sondern einschreiten will – sich da zurückhalten, das muss man erstmal erlernen.

In den Situationen wo gezielt Fragen gestellt werden oder auch über Inhalte oder Möglichkeiten diskutiert wird – Da merkt man als Ausbilder, dass man trotz eLearning und Zugang zum „unendlichen Wissen“ doch noch gebraucht wird. Das Internet weiß eben nur fast alles.

Welche Rückmeldungen zum digitalen Lernen erhalten Sie direkt von Ihren Auszubildenden?

Lernen ist einfach immer mit Anstrengung verbunden – und natürlich nicht die Lieblingsbeschäftigung von Auszubildenden. Die Methode, digital zu lernen ist jedoch viel spielerischer, selbstbestimmter und flexibler und das kann ich bei den Auszubildenden, die eCademy nutzen, auch beobachten.

Die Mechatroniker zum Beispiel sind froh zwischendurch mal nichts Handwerkliches zu machen, sondern sich an den Computer zu setzen und zu lernen. Das Lernen am Computer ist hierbei für viele ein Faktor, der zum Lernen motiviert. Klar, gibt es auch mal nervige Situationen, wenn zum Beispiel die Technik nicht funktioniert, aber sobald ich frage, ob wir das digitale Lernen bei uns wieder absetzen sollen, sagen sie: auf keinen Fall!

Wir danken Herrn Kaps für dieses Interview!

Ramona Kelle hat einen Master in Medienwissenschaften in Bonn absolviert und zuvor eine Berufsausbildung in Mediendesign abgeschlossen. Sie war in verschiedenen Hörfunk- und Onlineredaktionen tätig und unterstützt seit 2018 das Marketing-Team von Cornelsen eCademy.

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